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    II.2. DIE EINBEZIEHUNG DEUTSCHLANDS

    udwig VII. blieb nicht lange der einzige europäische Monarch, der sich zum Kreuzzug verpflichtete. Im Dezember 1146 nahm der deutsche König Konrad III. auf Betreiben Bernhards das Kreuz. Dies war ein Ergebnis, das im klaren Widerspruch zu der Strategie stand, die sich Papst Eugen bei seinen ursprünglichen Gesprächen mit Bernhard ausgebeten hatte, daß nämlich Deutschland aus dem kommenden Kreuzzug herausgehalten werden sollte.


    Darstellung einer Seelenwaage: Überwogen die schlechten Taten, so drohte im Jenseits nach christlicher Vorstellung die Hölle - hier durch gefräßige Dämonen symbolisiert. Von dem Kreuzzug versprachen sich viele Teilnehmer die Vergebung ihrer Sünden. (Tympanon von Giselbertus an der Kathedrale von Autun, Burgund, um 1135)

    Doch schon nach seinem Erfolg von Vézelay schien sich Bernhard in seinem Predigteifer nicht mehr nur auf die zuvor ausgehandelten Bereiche konzentrieren zu wollen. So schickte er etwa einen langen Brief an das englische Königshaus, in dem er um Unterstützung des Königs, aber auch des ganzen Volkes bat. In diesem Brief tauchen viele Motive auf, die auch in späteren Predigten wiederholt wurden. Als Musterbeispiel für eine solche spätere Schrift mag an dieser Stelle der Brief 363 dienen, der sich an die Erzbischöfe von Ostfranken und Bayern richtet. Er beginnt mit einer Beschreibung der Gefahr, die dem Heiligen Land von den Ungläubigen drohte. Wenn sich niemand dieser Gefahr stellen würde, so würde schließlich auch Jerusalem fallen und die heiligsten Stätten der Christenheit geschändet werden, die einst die Vorväter von „Unrat der Heiden“ gesäubert hätten – Bernhard stellt also den Bezug zum Ersten Kreuzzug her. Nun sei der Überfall der Ungläubigen im Grunde nicht etwa eine Strafe Gottes, sondern vielmehr eine Gelegenheit für jeden wahren Christen, sich in den Dienst der guten Sache zu stellen und mit dem Schwert in der Hand zur Rettung des Heiligen Landes aufzubrechen. Bernhard hebt insbesondere den Unterschied zwischen dem Kampf gegen die Heiden und dem alltäglichen europäischen Kriegshandwerk hervor. Die Christen müßten aufhören, gegeneinander zu kämpfen, denn dies sei Narretei, betont der Abt. Denn Seele und Körper gleichermaßen zu riskieren, sei „Wahnsinn, nicht Tapferkeit; man darf es nicht der Kühnheit, sondern muß es eher der Torheit zuschreiben“, schreibt Bernhard. Der Kampf für die Sache Gottes hingegen sei die wirkliche Möglichkeit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Es sei eine Sache, für die man ohne Gefahr für die Seele streiten könne, und wo „der Sieg Ruhm, der Tod aber Gewinn“ sei. Bernhard stellt die Frage einer Beteiligung an dem kommenden Unternehmen als eine einfache Rechnung dar, eine gute Gelegenheit für einen geschickten Händler. Die Vergebung aller Sünden wiege die Gefahr auf: „Wenn Du ein kluger Kaufmann bist“, formuliert der Prediger, „ein Mann des Erwerbs in dieser Welt (1 Kor 1,20), dann prophezeie ich Dir reiche Märkte, laß sie Dir ja nicht entgehen! Nimm das Zeichen des Kreuzes, und zugleich wirst Du für alle Sünden, die Du reuigen Herzens beichtest, Vergebung erlangen. Der mit dem Kreuz gezeichnete Stoff ist billig, wenn er gekauft wird; wenn er aber mit frommer Gesinnung auf die Schulter genommen wird, ist er ohne Zweifel das Reich Gottes wert“. Der Brief beinhaltet auch die Mahnung, die „lebenden Zeichen“ der Leiden Christi, nämlich die Juden, auch während des Kreuzzuges in Ruhe zu lassen. „Die Juden dürfen nicht verfolgt, nicht getötet, ja nicht einmal vertrieben werden“, betont Bernhard.

    Während Bernhard die Juden als eine ständige Erinnerung der Christenheit an die Wahrheit des Glaubens betrachtete und ihre Zersplitterung über die Welt als Folge ihrer Sünden ansah, ihnen aber kein Leid angetan sehen wollte, wurde diese Auffassung nicht von allen Predigern geteilt. In Nordfrankreich und dem Rheinland wurde in diesem Jahr ein zisterziensischer Wanderprediger namens Randulf schnell populär, der ohne Befugnis für den Kreuzzug warb. Damit stellte er sich bewußt gegen das allgemeine Predigtverbot, das zu dieser Zeit für Mönche galt. Wäre dies in den Augen Bernhards schon ärgerlich genug gewesen, hätte Randulf ansonsten in seinem Sinne gepredigt, so wog es noch bedeutend schwerer, daß es an vielen Orten nach den illegalen Predigten zu umfassenden Judenpogromen gekommen war.


    Antisemitische Zeichnung: Juden schmoren in der Hölle (Hortus Deliciarum, Elsaß 12. Jhdt)

    Randulf, so notierte der Rabbi Epharain von Bonn später, „kläffte (er wurde der Kläffer genannt) im Namen Christus, man solle nach Jerusalem gehen und die Moslems bekämpfen. Überall wohin er ging, hetzte er gegen die Juden in jedem Land, und er stachelte die Schlange auf und die Hunde gegen uns, wenn er sagte: Zuerst rächt Christus, den Gekreuzigten, gegen die Feinde die vor Euch stehen, und erst dann geht los und bekämpft die Moslems“. Der namenlose Chronist von Würzburg berichtet, wie eine zerstückelte Leiche im Main gefunden worden sei, und "als ob ihnen dies einen gerechten Grund gegen die Juden gegeben hätte, wurden die Pilger und die Bürger gleichermaßen von einem plötzlichen Wahn ergriffen, und sie brachen ein in die Häuser der Juden, töteten alte Männer und junge, Frauen und kleine Kinder, ohne Unterschied, ohne Zögern und ohne Gnade“. Der Erzbischof von Mainz war davon schockiert, zumal sein Würzburger Amtskollege beinahe selbst Opfer des tobenden Mobs geworden war (Siegfried, der Erzbischof von Würzburg, hatte sich laut den Würzburger Annalen geweigert, den unbekannten Toten aus dem Main heilig zu sprechen und mußte daraufhin vor den wütenden Pilgern in einen Turm fliehen), und mahnte Bernhard in einem Schreiben, Randulf zu maßregeln. Ohnehin hatte der Abt von Clairvaux ein Interesse daran, sein Predigtmonopol nördlich der Alpen nicht durch einen eigenmächtig handelnden Mönch beschädigt zu sehen. Bernhard reiste also in das Rheinland und setzte Randulfs Predigten ein Ende, allerdings merkte er schnell, daß sich die allgemeine Kreuzzugsbegeisterung, die durch das Wirken des Wandermönches entfacht worden war, nicht mehr beruhigen lassen würde. Offenbar gab dies den Anstoß, Deutschland gegen den Wunsch des Papstes nun doch mit in die kommenden Planungen einzubeziehen. Sollte eine deutsche Beteiligung am Kreuzzug aber Erfolg haben, so galt es, die Unterstützung des Königs zu sichern.


    Konrad III. in einer Miniatur aus dem 13. Jhdt. (Chronica Regia Coloniensis, f.64v)

    Konrad III. war zunächst wenig angetan von der Idee, ein weiteres Mal in den Nahen Osten zu ziehen (er war bereits in den 1120er Jahren dort gewesen), und lehnte das Gesuch Bernhards auf einem Reichstag in Frankfurt im November 1146 ab. Allerdings konnte ihm der Abt die Zusage für ein weiteres Treffen abringen, das schließlich die Entscheidung bringen würde. Zur Weihnachtszeit 1146 suchte Bernhard Konrad in Speyer auf und erinnerte ihn in einer sehr persönlichen Rede an die Erfüllung seiner Christenpflicht. Einst werde er vor seinem Schöpfer stehen, und Christus werde ihn fragen: „Oh, Mensch, was soll ich für Dich tun, das ich nicht schon getan habe?“. Konrad, zu diesem Zeitpunkt mit 54 Jahren schon ein nach mittelalterlichen Maßstäben älterer Mann, ließ sich von diesem Appell beeindrucken. Er nahm das Kreuz und wurde so zum Beispiel für viele weitere deutsche Adlige, die sich der Bewegung anschlossen. Als einer der prominentesten Kreuzfahrer sei hier nur Konrads Neffe Friedrich genannt, der erst im Vorjahr als junger Mann die Herzogskrone in Schwaben übernommen hatte und der später als greiser Kaiser Barbarossa auf einem weiteren Kreuzzug sterben sollte.

    Die Nachricht von der Kreuznahme Konrads gelangte schnell in andere Teile des Reiches, wo sie ein unterschiedliches Echo fand. Viele folgten dem Beispiel des Königs, etwa in Regensburg, wo sich so bekannte Würdenträger wie Bischof Otto von Freising, einer der späteren Chronisten des Kreuzzuges, wie auch zahllose andere das Stoffkreuz auf ihr Gewand hefteten. In anderen Teilen des Reiches stieß die Nachricht ganz eigene Planungen an, die von dem eigentlichen Sinn des bevorstehenden Feldzuges, der Rückeroberung Edessas, abwichen. Das Jahr 1147 sollte mit einigen politischen Wirbeln beginnen, die den Kreuzzug in einen Mehrfrontenkrieg verwandeln sollten.




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