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    III. DER KREUZZUG (Mai 1147 – September 1148)

    III.1. DAS HEILIGE LAND 1147: DESASTER IN ANATOLIEN

    Ein Jahr lang hatte sich der französische König auf den Feldzug vorbereitet. Boten waren ausgesandt worden, um für die zu durchziehenden Gebiete freies Geleit auszuhandeln. Vor allem das Römische Reich und Byzanz wurden um ihre Mithilfe gebeten. Allerdings waren es die Deutschen, die als erstes aufbrachen, obwohl sie erst im Dezember 1146 dazugestoßen waren. Im Mai 1147 sammelte sich das deutsche Kontingent, um auf dem Landweg von Regensburg aus über den Balkan und den Bosporus durch Kleinasien hindurch schließlich bis nach Edessa zu ziehen. Diese Route war eine der wichtigen Entscheidungen gewesen, die auf dem Reichstag in Frankfurt nur zwei Monate zuvor getroffen worden waren. Der ursprünglichen Planung zufolge, sollte das Heer bei Konstantinopel auf die asiatische Seite übersetzen, um dort auf das Eintreffen der Franzosen zu warten und sich schließlich gemeinsam den Weg nach Edessa freizukämpfen.


    Manuel I. Komnenos (byzantinische Darstellung).

    Der sommerliche Heerzug durch Ungarn verlief noch relativ problemlos, aber nach dem Betreten byzantinischen Bodens wurde das Verhältnis der beiden Bundesgenossen Konrad und Manuels schweren Prüfungen unterzogen. Nicht nur, daß es immer häufiger zu Übergriffen deutscher Truppen auf byzantinischem Gebiet kam, auch schränkte die Anwesenheit des fremden Heeres die Handlungsfreiheit des Kaisers massiv ein. Manuel konnte es sich nicht erlauben, sich aus seiner Hauptstadt zu entfernen oder größere Truppen abzuziehen, solange die Kreuzfahrer auf ihrem Territorium lagerten. Roger II. nutzte diese Situation sogleich aus und richtete auf Korfu, in Theben und Korinth schwere wirtschaftliche Schäden an. Die Zentren der byzantinischen Seidenindustrie wurden vernichtet, ohne daß Byzanz mit einer umfangreichen Gegenoperation reagieren konnte. Die Anwesenheit des Kreuzfahrerheeres bei Konstantinopel war unerwünscht und störend, zumal der Sicherheitseid Konrads gegenüber Manuel weder die Plünderungen durch die Kreuzfahrer, noch weniger aber die Angriffe der Normannen hatte verhindern können. Byzantinische Chronisten wie Johannes Kinnamos beschrieben, wie die Kreuzfahrer im Osten empfunden wurden: „Sie behandelten jene ungerecht, die ihnen Waren auf dem Markt zum Kauf angeboten hatten, und wenn sich irgend jemand gegen ihre Plünderungen stellte, so erschlugen sie ihn mit dem Schwert“.

    Schließlich gab Konrad nach. Eher als geplant setzte das deutsche Kontingent über den Bosporus und sollte nun ohne französische Mitarbeit auf Edessa vorstoßen. Auf der asiatischen Seite teilte sich zudem das Heer. Bei Nicaea sollte Konrad den schlagkräftigeren Teil des Heeres bei sich behalten, während die für militärische Operationen eher hinderlichen Massen der Nichtkämpfer und des Trosses unter die Führung von Otto von Freising gestellt werden sollten. Dieses schwächere Heer sollte der sichereren Küstenstraße folgen, während sich die Krieger unter Konrad ungehindert durch den Troß jeglicher muslimischer Opposition auf dem Weg stellen sollten. Dieser Plan mißlang allerdings. Die völlige Trennung von Nichtkämpfern und Soldaten funktionierte nicht wie gewünscht, so daß Konrads Truppen weiterhin von langsamen, wehrlosen Pilgern behindert wurden. Schon bei der ersten Feindberührung sollte sich dies rächen.

    Gegen Ende Oktober stand das christliche Heer bei Dorylaeum. Diese hellenische Gründung war nicht nur für ihre heißen Quellen berühmt, sondern bildete noch im Mittelalter einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Das phrygische Dorylaeum war das Tor zum Nahen Osten, hier hatte sich schon manches Heer gesammelt, um von Kleinasien in den Osten zu ziehen. Ein halbes Jahrhundert vor Konrad hatte Gottfried von Bouillon hier mit einem Sieg gegen die Türken die Passage ins Heilige Land erzwungen. Doch diesmal sollte es anders kommen. Ein seldschukisches Heer erwartete die durch den langen Marsch gezeichneten Kreuzfahrer. Der Schlagabtausch endete für die Christen in einem Desaster, manche Chronisten sprechen von Verlusten bis zu 75 Prozent. Konrad wurde vernichtend geschlagen und konnte sich, dem Tod gerade noch entronnen, mit mehr oder weniger geordneten Truppen nach Nicaea zurückziehen. Dort lösten sich im November viele seiner Soldaten vom Heer und reisten zurück in die Heimat.

    Den Truppen unter Otto von Freising erging es nicht besser. Eine Auseinandersetzung mit türkischen Verbänden forderte in den Bergen bei Laodicaea am Lycos schwere Verluste, und im Februar 1148 setzten die Seldschuken dem deutschen Vormarsch ein Ende. Otto von Freising konnte sich mit wenigen Überlebenden nach Syrien ausschiffen.

    Während die deutschen Kreuzfahrer in Kleinasien ihrem Untergang entgegenmarschierten, erreichte das französische Kontingent am 4. Oktober 1147 Konstantinopel. Der byzantinische Kaiser bemühte sich um einen freundschaftlichen Umgang mit dem französischen König, aber im Kreuzfahrerheer brodelte es. Truppenteile um den stark antibyzantinisch eingestellten Bischof Gottfried von Langres sprachen sich für einen Angriff auf Konstantinopel aus, mit dessen Einnahme sie sich der Hilfe Rogers II. versichern wollten. Anders als 1204 konnte ein kriegerischer Akt von Kreuzfahrern gegen die byzantinische Hauptstadt aber noch mit dem Hinweis auf die fehlende Bevollmächtigung durch den Papst abgewendet werden. Dazu kamen auch diesmal wieder Übergriffe und kriminelle Akte der Kreuzfahrer, die auch durch drastische Strafen nicht verhindert werden konnten.


    Die Theodosianischen Mauern bildeten bis zur türkischen Eroberung Konstantinopels 1453 den Schutzwall der Stadt, der vor ihrem Fall nicht durchbrochen wurde. (Foto: O. Borgwardt)

    Manuel gelang es, die gefährliche Situation durch geschickte Agitation zu entschärfen. Er ließ Gerüchte streuen, die Deutschen hätten im Osten große Siege gegen die Türken errungen. Da militärische Erfolge zumeist auch Beute versprachen, beschleunigte dies die französischen Bemühungen, ihren deutschen Bundesgenossen zu folgen. In der Angst, bei der Verteilung der Beute zu kurz zu kommen, erhielten die bisher gemächlichen Übersetzungsoperationen auf die asiatische Seite einen erheblichen Vorschub und wurden am 16. Oktober beendet. Als das französische Heer nun nicht mehr in Sichtweite der Theodosianischen Mauern lagerte, machte Manuel seinen nächsten Zug und setzte die Versorgung der Kreuzfahrer aus. Lebensmittel und Führer würden erst wieder gestellt, so die Bedingung, wenn sich die Franzosen zum byzantinischen Kaiser bekannt hatten. Ludwig versprach, auf die Eroberung byzantinischer Städte zu verzichten, und die französischen Barone sahen sich zur Leistung des Lehnseides gezwungen. Daraufhin nahmen die byzantinischen Führer ihre Arbeit wieder auf, aber die Versorgung des Heeres blieb halbherzig. Byzantinische Verträge mit den Türken verhinderten, daß Manuel allzu offensichtlich Hilfe für das lateinische Heer leisten konnte.

    Die Illusion eines deutschen Sieges endete für die Franzosen in Nicaea, wo sie auf die Reste von Konrads Heer stießen. Der deutsche König schloß sich mit seinen restlichen Truppen Ludwig und seinem Heer an, die nun über Smyrna bis in das blühende christliche Handelszentrum Ephesos zogen, um dort Weihnachten zu verbringen. Für Konrad blieb nicht einmal während der Feiertage Zeit, sich ein wenig von den Katastrophen des zu Ende gehenden Jahres zu erholen. Er erkrankte und wurde von Kaiser Manuel nach Konstantinopel gerufen, wo dieser persönlich für die Genesung des deutschen Königs sorgte. Mit Konrads Wohlbefinden, so hoffte Manuel, würde sich auch das angeschlagene deutsch-byzantinische Verhältnis wieder erholen. Auch ohne Konrad ging der Krieg weiter. Die Franzosen zogen durch die rauhe und zerklüftete Landschaft zum gleichen Ort, an dem schon das Ende des deutschen Heeres besiegelt worden war. In den ersten Tagen des Jahres 1148 konnten die Seldschuken ihren Sieg bei Laodicae wiederholen, diesmal gegen französische Truppen. Das Heer Ludwigs wurde geschlagen und dezimiert.


    Ritterdarstellung auf einem französischen Hochzeitskästchen (Brest(?), um 1150-70)

    Dieses zweite Gefecht von Laodicae ist gut dokumentiert und mag hier als Beispiel dienen, welchen Gefahren sich die Kreuzfahrer stellen mußten und wie Fehlplanungen und die unzureichende Befehlsstruktur in einem mittelalterlichen Heer über Sieg oder Niederlage entscheiden konnten. Odo von Deuil berichtet, daß die Franzosen schon auf ihrem Weg zum Ort der Auseinandersetzung die Spuren des deutschen Desasters zu Gesicht bekamen: „Die Gebirge, die wir zu überschreiten hatten, waren noch ganz getränkt vom Blut der Deutschen, und vor uns sahen wir die Feinde, die diese massakriert hatten“. Die Türken hatten diesen Ort nicht zufällig gewählt, um die Kreuzfahrer anzugreifen. Auf den engen Pfaden, die sich durch das abschüssige und felsige Gelände zogen, waren die Christen leichte Ziele für die agilen muslimischen Bogenschützen. Vor allem aber beraubte man sie hier ihrer wertvollsten und wirksamsten Angriffswaffe, der geschlossenen Wucht der schweren Reiterei, die nur dann zur Geltung kommen konnte, wenn sie aus der Bewegung heraus auf ihre Feinde einstürmen konnte. Auf den schmalen Pässen war an eine solche Entfaltung der mittelalterlichen Kavallerie aber nicht zu denken. Odo berichtet, wie das Heer gegen Mittag des zweiten Tages nach dem Ausmarsch aus Laodicae einen besonders steilen Berg erreichte. Ludwig hatte laut Odo angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten verfügt, dieses Hindernis erst am nächsten Tag zu überqueren, hielt sich aber zu diesem Zeitpunkt nicht an der Spitze des Heeres, sondern bei der Nachhut auf. So wurde diese Weisung, so sie denn nicht eine apologetische Erfindung Odos ist, von der Vorhut ignoriert. Die Türken ließen die Männer passieren, wohl auch, um das Hauptheer nicht vorzeitig zu warnen. So erklommen die Soldaten „den Berg, und während ihnen die anderen nur von ferne folgten, errichteten sie gegen die neunte Stunde auf der anderen Seite ihre Zelte“.


    Sarazenen im Kampf mit Kreuzfahrern (Manuskript aus Ägypten, Mitte 12. Jhdt).

    Das Hauptheer aber, anstatt der Vorhut direkt zu folgen, sammelte sich vor dem Aufstieg auf den engen Wegen und produzierte so einen regelrechten Stau, der von den Muslimen sogleich angegriffen wurde. Das Chaos, das dieser Angriff hervorrief, forderte nicht nur durch die unmittelbare Waffenwirkung viele Opfer. „Die Saumtiere fielen von den zerklüfteten Felsen herab und rissen die mit, auf die sie im Fallen auftraten, bis in die Tiefen des Abgrundes. Die Felsstücke, die immerfort losgelöst wurden, richteten eine große Verwüstung an und diejenigen unserer Leute, die sich nach allen Seiten zerstreuten, um bessere Wege zu suchen, mußten gleichfalls fürchten, entweder selbst zu stürzen oder durch die anderen mitgerissen zu werden“. Die türkischen Truppen konnten die Lücke zwischen Vorhut und Hauptheer ausnutzen und durch ihre höhere Gefechtsposition das französische Heer schwer schädigen. Odo beschreibt, daß vor allem die Bogenschützen und die von den Muslimen auf die Kreuzfahrer herabgerollten Steine große Verluste unter den Christen forderten. Die französischen Ritter verloren ihre Pferde, die zu dieser Zeit noch zumeist ungepanzert in den Kampf geritten wurden, und mußten sich nun zu Fuß dem Gegner stellen. Die Menge des Hauptheeres, der so übel zugesetzt wurde, wandte sich bald zur Flucht und die besser gerüsteten Krieger, die sich nicht zurückzogen, wurden von den nachrückenden Seldschuken überrannt. „Hier also starben die Söhne Frankreichs, bevor sie zum Manne reifen konnten“, klagt Odo. Sein Bericht, der nicht darauf hinzuweisen vergißt, wie tapfer sich der König gegen die Ungläubigen schlug, macht deutlich, wie wenig die eigentlich überlegene Ausrüstung der Christen, ihre Rüstungen und militärische Erfahrung auf den Schlachtfeldern Europas, in einem fremden Land gegen einen leicht gerüsteten Gegner nützten, der das Gelände zu seinem Vorteil zu nutzen verstand und die Initiative im Gefecht fest in der Hand behalten konnte.

    Nach diesem Desaster schien ein weiteres Vorgehen des Kreuzfahrerheeres über Land angesichts des sich verschlechternden Wetters und der ständigen türkischen Angriffe nicht mehr zu leisten zu sein, daher zogen sich die Franzosen an die Küste nach Adalia zurück. Diese byzantinische Stadt war nicht in der Lage, zu diesem Zeitpunkt so viele Menschen zu versorgen, was der ohnehin angeschlagenen Moral der Truppen nicht förderlich gewesen sein dürfte. Adalia sollte eigentlich nur eine Zwischenstation sein, da Ludwig in Konstantinopel eine Flotte angefordert hatte, die die Truppen ins Heilige Land bringen sollte. Die wenigen Schiffe, die in Adalia eintrafen, reichten aber gerade für den König und seine wichtigsten Anführer. So ließen die Führer ihre Truppen zurück, die sich nunmehr zu Fuß nach Syrien durchschlagen wollten. Doch es sollte nicht dazu kommen. Noch in Sichtweite Adalias wurden die Zurückgelassenen von den belagernden türkischen Verbänden vernichtet, während der exklusive Kreis der Schiffspassagiere am 19. März 1148 sicher St. Simeon, den christlichen Hafen nahe Antiochia, erreichte.




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