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    III.2. DER KREUZZUG IN OSTEUROPA: VERFEHLTE ZIELE

    Die umstrittene Erhebung der geplanten Eroberungszüge in Osteuropa zum Kreuzzug war dem heidnischen Gegner nicht verborgen geblieben. Der Abodritenfürst Niklot (1131 - 1160) in Mecklenburg kam dem Truppenaufbau seiner christlichen Gegner mit einem Präventivangriff zuvor und drängte noch 1147 auf westelbisches Gebiet. Der erste Schlag erfolgte in Wagrien (Landschaft zwischen Kieler Förde und Lübecker Bucht), das damals noch zum Bistum Oldenburg zählte. In der Morgendämmerung des 26. Juni fuhr eine slavische Flotte in die Travemündung ein und hielt auf Lübeck zu. Helmold von Bosau berichtet in seiner „Chronica Slavorum“, daß die Verteidigung Lübecks nicht mehr rechtzeitig organisiert werden konnte und die Slaven zunächst die mit Handelsgut beladenen Frachtschiffe am Traveufer in Brand setzten, um sich dann dem Umland zuzuwenden: „Zwei Reiterscharen durchstreiften ferner ganz Wagrien und zerstörten alles, was sie im Burgflecken von Segeberg fanden. Auch den Bezirk namens Dargun und alles, was Westfalen, Holländer und andere Einwanderer unterhalb der Trave angebaut hatten, verzehrte die gierige Flamme (des Krieges). Tapfere Männer, die etwa mit Waffen zu widerstehen suchten, machten sie nieder und führten ihre Frauen und Kinder gefangen weg“.


    Kreuzfahrerdarstellung in der Historia Hierosolymitana des Albert von Aachen (Gladbach nach 1140, f.12r).

    Dem wendischen Heer stellte sich ein großes deutsches Aufgebot unter so prominenten Führern wie dem Sachsenherzog Heinrich der Löwe, dem Brandenburger Albrecht der Bär oder den Erzbischöfen von Bremen und Magdeburg entgegen, unterstützt von den Dänen. Auch die Polen nahmen auf ihre Weise an dem Kreuzzugsunternehmen teil, indem sie die baltischen Prußen angriffen.

    Der Erfolg der dritten Front war bestenfalls zweifelhaft, angesichts der hochgesteckten Pläne aber ein kompletter Fehlschlag. Die deutschen Fürsten konnten das Gebiet der Wenden nicht wie gewünscht unter ihre Kontrolle bringen. Heinrich der Löwe wollte Niklot ausschalten und Mecklenburg fest in sächsische Hand bringen, doch dies sollte ihm erst bei einem zweiten Feldzug 1160 gelingen. Weder die Belagerung der wendischen Festung Dobin gelang, noch konnte Erich V. von Dänemark das lutizische Castrum Demmin in Vorpommern nehmen.

    Völlig dem Kreuzzugsgedanken entrissen war schließlich der - ebenfalls gescheiterte - Angriff auf das seit dem Missionswirken Otto von Bambergs in den 1120er Jahren christliche Stettin. Vinzenz von Prag beschreibt in seinen Annalen, wie die Belagerten Kreuze auf den Mauern von Stettin aufstellten, um sich als Christen zu zeigen, und sich der städtische Bischof Albert mit kritischen Worten gegen die Belagerer wandte. Wenn die Angreifer die Stettiner in ihrem christlichen Glauben bestärken wollten, dann sollten sie dies gefälligst durch predigende Bischöfe und nicht mit Waffen machen, forderte Albert. Der Chronist notiert, wie der Angriff auf Stettin schließlich auch bei den sächsischen Geistlichen auf Kritik stieß, und die Stimmung gegen die Fürsten zu kippen drohte, die „diesen großen Feldzug mehr im Hinblick auf die Eroberung neuen Landes angestoßen hatten, als irgend jemanden im christlichen Glauben bestärken zu wollen“. Die Belagerung wurde abgebrochen. Zu offensichtlich war es nicht mehr „die Sache Gottes“, für die das Heer stritt - das kritisierten schon Zeitgenossen wie Vinzenz. Vermutlich war dieses hehre Ziel angesichts der sächsischen Expansionspläne ohnehin nie mehr als ein willkommener Vorwand für sehr weltliche Pläne gewesen.

    Als sich gegen Ende 1147 nicht die gewünschten Erfolge an der Front einstellten, einigte man sich mit dem Gegner auf eine formale Christianisierungszusage. Die Wenden würden sich taufen lassen, im Gegenzug mußten sich die Kreuzfahrer keinen völligen Mißerfolg eingestehen. „So wurde diese große Unternehmung mit geringen Erfolg beendigt“, merkt Helmold an, „denn gleich nachher trieben die Slawen es noch ärger, da sie weder die Taufe achteten noch aufhörten, die Dänen zu berauben“.

    Niklot hingegen hatte seine Herrschaft noch einmal verteidigen können. Nicht einmal sein Bündnis mit dem holsteinischen Grafen Adolf II., einem seiner nützlichsten Verbündeten, hatte unter dem später als „Wendenkreuzzug“ in die Geschichtsbücher eingegangenen sächsischen Abenteuer gelitten. Dabei hätte es weitaus schlimmer kommen können. Zwischen „Taufe oder Tod“ sollten die heidnischen Slawen wählen, dies hatte Bernhard noch im Frühjahr gefordert und damit eine seiner noch in der heutigen Forschung umstrittensten Äußerungen getätigt. Dabei ist die Botschaft unmißverständlich. Zu lange hätten die Christen gewartet, „die Gifthäupter“ der Heiden „mit ihrer Ferse“ zu zertreten, so Bernhard, und das Ziel sei nicht erreicht, bis „mit Gottes Hilfe entweder ihre Religion oder ihr Stamm vernichtet ist“. Ausdrücklich verbot Bernhard vor einem solchen Sieg einen Vertrag mit den Slawen jeglicher Art, sei es „für Geld noch durch sonstigen Tribut“. Bernhard war nicht der erste, der so gegen die Wenden hetzte, aber es ist bezeichnend, daß ausgerechnet Papst Eugen im gleichen Zusammenhang nur von Bekehrung sprach und nicht den Wunsch nach einem Völkermord äußerte.




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