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    II.1. FRANKREICH

    Der erste Monarch, der zu dieser Zeit an ein Unternehmen im Nahen Osten dachte, war Frankreichs Souverän Ludwig VII. (1137-1180). Man kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ihn die auf den ersten Dezember 1145 datierte Bulle erreicht hatte, aber sie war verfaßt worden, um den König zu beeindrucken und motivieren. Papst Eugen erinnerte darin an die Heldentaten der "starken und mutigen Krieger des französischen Königreiches", die zur Befreiung der heiligen Stätten im Ersten Kreuzzug gekämpft hatten, und sparte nicht mit Berichten über angebliche Untaten der Muslime in Edessa. Neben der Ermordung des Erzbischofs sei es auch zu Schändungen der dort aufbewahrten Reliquien gekommen. Eugen versprach denjenigen, die auf einen Kreuzzug gegen die Heiden aufbrächen, den Erlaß sämtlicher Sünden, den Schutz ihrer irdischen Güter und Familien durch die Kirche, sowie Stundung aller Schulden für die Dauer des Kreuzzuges.


    Siegel Ludwigs VII.

    Ludwig hatte sich schon im Jahre 1145 zu einem militärischen Eingreifen im Nahen Osten entschlossen, womit er aber zunächst auf Ablehnung gestoßen war. Es ist fraglich, ob der französische König an eine Unternehmung im Stil von 1095 gedacht hatte, vielmehr scheint das Ziel eine rein französische Kampagne im Gewand einer bewaffneten Pilgerfahrt gewesen zu sein. Wenig begeistert hatte sein Hof diese Pläne aufgenommen, und auch des Königs höchster Berater, Abt Suger von St. Denis, hatte von einem solchen Abenteuer abgeraten. Es scheint nicht zu klären zu sein, ob Ludwig die Bulle des Papstes vor seinen Plänen für einen Feldzug gekannt hatte und so nur auf Befehl gehandelt hat, oder ob er eigenmächtig eine Art Kreuzzug ins Leben rufen wollte – was ein unerhörter Skandal gewesen wäre.

    Ludwig entschied sich, den schon zu dieser Zeit sehr prominenten Bernhard von Clairvaux zu Rate zu ziehen. Bernhard bat sich vor einer Entscheidung Rücksprache mit dem Papst aus, da nach allgemeinem christlichem Verständnis nur dieser die Befugnis hatte, eine derart wichtige Unternehmung auszurufen. So war das Frühjahr 1146 von Verhandlungen Bernhards mit dem Papst geprägt, die am 1. März in einer leicht modifizierten Ausgabe von Quantum Praedecessores gipfelte. Zielstrebig steuerte die europäische Christenheit nun auf einen weiteren Kreuzzug zu. Eugen übertrug Bernhard die Predigt des künftigen Unternehmens außerhalb Italiens, er selbst trat nur südlich der Alpen persönlich in Erscheinung, um für den Feldzug zu werben. Die dortige politische Situation war vor allem für den Papst angespannt.

    Eugen war im Zuge der renovatio senatus (eine Autonomiebestrebung der Einwohner Roms, die 1143/44 die Wiedereinrichtung der Republik ausriefen und einen Senat nach antikem Vorbild einrichteten) vom römischen Volk und von Arnold von Brescia aus Rom verbannt worden und sah sich zudem im Süden mit dem aufstrebenden Normannenreich unter Roger II. konfrontiert, was seine Teilnahme an dem Kreuzzug von vornherein schon aus machtpolitischen Gründen ausschloß. Der Papst konnte Italien nicht verlassen. Vielmehr hoffte er, den deutschen König Konrad zum Bundesgenossen gegen seine Feinde in Italien gewinnen zu können. Bernhard sollte daher vermeiden, daß sich Konrad auf irgendeine Weise in das künftige Geschehen hineinziehen und durch Truppenverschiebungen ins Heilige Land schwächen lassen könnte. So zog Bernhard zunächst nach Frankreich. Noch im gleichen Monat begann er seine Predigten, ein auch nach heutigen Maßstäben umfangreiches Werbeunternehmen mit geistlichen Mitteln. Am 31. März sprach Bernhard in Vézelay, wo der französische Hof tagte. Die burgundische Stadt war zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast einem Jahrhundert ein bedeutendes Pilgerzentrum, seit vor 1058 dort die angeblichen Reliquien der Hl. Maria Magdalena gefunden wurden.


    St. Bernhard in einer englischen Handschrift aus dem 13. Jahrhundert.

    Bernhard hatte sich sorgfältig auf diese Rede vorbereitet. Der Chronist Odo von Deuil schildert, wie der Abt von Clairvaux auf einer eigens für diesen Anlaß gezimmerten Tribüne stand und von dieser hohen Position aus zu den Menschen sprach. In einer dramatischen Inszenierung betrat er diese Bühne zusammen mit dem König, der bereits das Kreuzzeichen trug. Ludwig hatte nämlich auf die Anwesenheit Bernhard von Clairvaux in Vézelay gewartet, um zum Osterfest 1146 zusammen mit seinen Fürsten das Kreuz zu nehmen. Die Kreuznahme blieb bei weitem nicht die einzige bei dieser Gelegenheit. Hunderte von Gläubigen hefteten sich an diesem Tag das Kreuz an ihre Kleidung. Der Überlieferung nach soll Bernhard sogar seine Kleider zerrissen und angeordnet haben, man möge daraus Stoffkreuze schneiden, da das Bündel der vorbereiteten Stoffkreuze bei weitem nicht ausgereicht habe, um das Verlangen der begeisterten Massen zu stillen. „Wer nun mit Ludwig geht, dem braucht vor der Hölle nicht bang zu sein, denn seine Seele wird im Paradies sein mit den Engeln unseres Herrn“, dichtete zu dieser Zeit ein unbekannter Künstler in dem ältesten uns heute noch erhaltenen französischen Kreuzfahrerlied.

    Symbolisch untermauert wurde dieser Eindruck des gottgewollten Krieges im folgenden Jahr kurz vor dem Aufbruch der französischen Streitmacht, als Ludwig am 11. Juni 1147 vom Papst selbst die Insignien des Kreuzfahrers verliehen bekam. In einer feierlichen Zeremonie in St. Denis reichte Eugen dem König eine Pilgertasche und die französische Standarte, die rote Oriflamme. Das Kriegsbanner anstelle des sonst üblichen Wanderstabes war nur ein weiteres Zeichen dafür, daß hier keine besinnliche Pilgerreise auf die Kreuzfahrer wartete.




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