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    Belagerungswaffen

    Die Pierrière


    Der Nachbau im Einsatz.

    Die Pierrière (auch Perrière oder Perrier, im Deutschen auch Wippe genannt) war im zwölften Jahrhundert ein oft eingesetztes leichtes bis mittelgroßes Geschütz.
    Anders als bei Gegengewichtskatapulten wie dem erst im 13. Jahrhundert in Europa verbreiteten Trebuchet wird der Schleuderarm (Rute) durch Körperkraft zum Schwingen gebracht. Mehrere Männer ziehen gleichzeitig den Hebelarm mittels Seilen ruckartig nach unten und setzen so den Arm mit der Schleudertasche in Bewegung. Mit unserer in dreiwöchiger Arbeit hergestellten Rekonstruktion konnten nach einiger Eingewöhnungszeit bereits Weiten von rund 60 Metern und mehr erreicht werden.

    Die Pierrière in der Geschichte

    Muskelbetriebene Katapulte sind keine europäische Erfindung.
    Bereits während der Qin-Dynastie (3. Jh. v. Chr.) werden in China ähnliche Maschinen eingesetzt und über die Jahrhunderte immer weiter verfeinert. Über Indien gelangt diese Technik allmählich, wahrscheinlich aber spätestens bis zum 7. Jhdt., in den islamischen Raum, wo auch Gegengewichtskatapulte schon früher als im christilichen Europa eingesetzt wurden.

    In der europäischen Antike beweisen vor allem Griechen und Römer großen Erfindungsreichtum, wenn es um die Herstellung von Geschützen und Belagerungsmaschinen geht. Auch das Prinzip der Schleudertasche ist im kleinen Maßstab durchaus bekannt: Schon seit der frühen Antike werden Handschleudern eingesetzt, und auch Stabschleudern, die sogenannte fustibale, sind im Einsatz.


    Stabschleuderer in der katalanischen Bibel von San Pedro de Roda, 11. Jh.

    Dennoch kommt diese Mechanik trotz ihrer relativen Einfachheit nicht bei größeren Maschinen zur Anwendung, hier dominiert noch immer das Torsionsprinzip. Die meisten römischen Geschütze beziehen ihre Kraft aus gedrehten Seilen und werfen ihre Projektile im relativ flachen Winkel, im Gegensatz zu den ballistisch schießenden Schleudern.

    Mit dem Zerfall des römischen Reiches ging nicht unbedingt das Wissen um die alten Belagerungstechniken verloren, wohl aber die sozioökonomische Struktur. Die Könige des frühen Mittelalters hatten keine vergleichbaren Möglichkeiten, auf einen festen Stamm gebildeter Belagerungsingenieure zurückzugreifen, wie es bei den römischen Militärführer der Fall war. In den stark romanisierten Gebieten werden die bekannten Maschinen allerdings noch weiter eingesetzt, so in Italien und im Süden Frankreichs. Natürlich bewahrte sich die Technologie auch im Byzantinischen Reich, wo die in den Jahrhunderten langsam veraltenden römischen Maschinen aber zunehmend durch die neueren Waffen verdrängt wurden, die durch den islamischen Raum von Asien aus ihren Weg nach Europa fanden.


    Einfaches Geschütz für zwei Personen, in einer Handschrift aus Gerona um 1100 (MS Lat. 93, fol. 181r).

    Während im Frühmittelalter auch an den ehemaligen Randregionen des Römischen Reiches im Norden einfache Stabschleudern in Gebrauch blieben (die etwa bei den Angelsachsen als staef-liedere bekannt sind), kamen muskelbetriebene Katapulte nach dem gleichen Prinzip in Europa offenbar zuerst in den Mittelmeerregionen in Gebrauch.


    Es ist nicht geklärt, wie und wo die Technik nach Europa kam, allerdings scheint es wahrscheinlich, daß es mehrere Quellen waren. Byzantinische Schriften sprechen schon im 6. Jahrhundert vom Gebrauch solcher Maschinen durch die Awaren, während die Technologie in Spanien und Südfrankreich offenbar durch die dort einfallenden Araber verbreitet wurde.
    Auch Italien profitierte von seinen Handelsbeziehungen zu Arabern und Byzanz, wenn es um Belagerungstechnik ging.


    Im 9. Jahrhundert waren muskelbetriebene Katapulte, später oft als Mangonels bezeichnet, schon weiter verbreitet. Abbo von Saint-Germain beschreibt in seinem wohl um 890 entstandenen Werk "De bellis Parisiacae urbis", wie die Franken "schwere Stücke Holz mit je einem eisernen Zahn am Ende" vorbereiteten. Mit Hilfe zusammengebundener Stämme seien so Maschinen entstanden, die "man üblicherweise als Mangonels bezeichnet" und die in der Lage gewesen seien, schwere Steine zu schleudern. Mit Hilfe dieser Maschinen sollten Belagerungswaffen der belagernden Wikingern vor den Mauern von Paris unter Beschuß genommen werden.





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