• Home | This page in English


    Presseartikel über Furor Normannicus




    Aus der Neuen Rhein Zeitung Dinslaken (NRZ), Samstag, 26. April 2003

    Wo die Schwerter klirren


    IM MITTELALTER / Kämpfen und kampieren wie die Normannen - eine Gruppe junger Leute geht regelmäßig auf Zeitreise.

    DINSLAKEN. - Die morgendlichen Nebelschwaden liegen zwischen den Zelten, es ist frostig und selbst am warmen, knisternden Lagerfeuer wollen die müden Glieder nicht erwachen. Früh beginnt der Tag für die Mitglieder der Mittelaltergruppe "Furor Normannicus". Aber so früh am Morgen braucht man sich vor dieser Gruppe nicht zu fürchten, deren Name soviel bedeutet wie "Raserei der Normannen". Colette Both (21) aus Dinslaken gehört zu der Gruppe von Mittelalter-Anhängern, die regelmäßig gepolsterte Betten und warme Duschen gegen das raue Lagerleben wie zu Zeiten der Ritter und Burgfräulein eintauschen.


    Am Wochenende hatte die Gemeinschaft samt Tross ihr Lager in Oelde aufgeschlagen. Die Männer rammten im Schweiße ihres Angesichts Palisaden in den Boden, um das Lager abzusichern und so vor "Feinden" zu schützen. Das Zelte aufbauen stellt sich immer wieder als der schwierigste Teil der ganzen Aufbauarbeiten heraus. Die Frauen, die später die prunkvollen Gewandungen wunderschöner Burgfrauen überstreifen, müssen hier ebenfalls mit anpacken.


    Steht das Lager, so schlüpft jeder in seine "Rolle". Ein Lagerfeuer wird geschürt, der Kessel kommt aufs Feuer. Die Frauen bereiten das Essen. Gekocht wird nur, was historisch beweisbares Essen im Mittelalter war: Fleisch und Gemüse wie Möhren. Natürlich darf bei einem Essen das Brot nicht fehlen. Die Tafel muss aufgestellt und gedeckt werden, Zinnbecher, Holz und Keramikschalen zieren die Runde. Denn auch die Normannen in der Zeit zwischen 1170 und 1200 wollten ganz und gar nicht vom Boden essen, vor allem nicht, wenn man dem Adel angehört.


    Während das Essen langsam vor sich hinköchelt, gehen die Männer - oder viel mehr "Ritter" - mal wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: Dem Kämpfen. In voller Montur, mit Gambeson, Kettenhemd, Kettenbeinlingen, Handschuhen, Helm, Schwert und Schild geht es auf´s "Schlachtfeld". Dass die Ritter überhaupt noch laufen, geschweige denn kämpfen können, ist bewundernswert. Allein das Kettenhemd, das vor Pfeilen und tödlichen Treffern mit dem Schwert oder der Axt schützen soll, wiegt gute 10 bis 15 Kilo. Aber das macht den Mitgliedern, die ihr Herz dem Mittelalter verschrieben haben, wenig aus.


    Auf dem Schlachtfeld geht es zur Sache. Die Schwerter klirren, die Pfeile schwirren und in dem Getümmel versteht man sein eigenes Wort kaum noch. "Formieren", ist nur noch zu hören, und die beiden feindlichen Truppen nehmen ihre Formation wieder an, um einen erneuten Angriff zu starten und den Gegner in die Flucht zu schlagen, der Heim und Weib bedroht. Die Bogenschützen besetzen die Flanken und versuchen auf diese Weise, die "Gepanzerten" zu treffen.


    Die Ärmsten leben wahrlich gefährlich. Sie sind nicht so gepanzert. Den Bogen bespannen, den Pfeil anlegen, die Sehne ziehen und Zielen und dann einfach nur "Pfeile los"! Das ist doch einfach, denken sich die meisten. Dem ist aber nicht so. Es steckt viel Training dahinter, einen Pfeil von einem Bogen abzuschießen, der auf 45 Pfund ausgerichtet ist, und dann muss man noch treffsicher sein und sich nach Möglichkeit nicht in den eigenen Fuß schießen. Verfehlt ein Bogenschütze sein Ziel, so gilt es buchstäblich, "die Beine in die Hand zu nehmen", denn man kann sicher sein, dass der Kämpfer, der ebenfalls Fersengeld gibt, mit Sicherheit besser bewaffnet ist als lediglich mit Pfeil, Bogen und einem Dolch.


    Die Weiber lassen ihre Männer ziehen und widmen sich in der Zeit dem Brettchenweben oder dem Nähen neuer Kleider. Da sich solche Kleider nicht in einem Warenhaus kaufen lassen, müssen die Normanninnen selbst die Nadel schwingen. Unter etlichen Flüchen, tausend Neuversuchen und blutüberström-ten Fingern werden Gewandungen und Kleider aus Wolle und Leinen genäht. Aus Wolle entstehen die Winterkleider, aus Leinen werden Tuniken, Waffenhemden und Kleider für wärmere Tage geschneidert.


    Fein ausgearbeitete, wunderschö-ne Kleider mit einer tollen Borte ziehen natürlich auf so einem Markt die Blicke auf sich. Wenn es der Stand erlaubt, lautet das Motto "Klotzen, nicht kleckern!"


    Und wenn der heimgekehrte Ehemann seinem holden Weibe im romantisch beleuchteten Burghof auch noch die Minne singt, weiß man, dass es sich lohnt, solche Märkte aufzusuchen. Das "finstere Mittelalter" war im Prinzip eine tolle Zeit, wenn man sich nur die Mühe macht, es lebendig nachvollziehen zu wollen.

    Zurück