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    Presseartikel über Furor Normannicus




    Aus dem Bocholter Report (BR), Mittwoch, 6. April 2005

    Zeitreise mit Furor Normannicus
    ...oder wenn hinter dem Bahia die Schwerter tanzen

    Bocholt. Während in dem alten Tümpel die Frösche äußerst agil den Frühling einläuten, toben hinter dem Sandwall die Gefechte. Mit dem Schwert wird gekämpft. Nur wenige Meter weiter schießt eine Gruppe mit Pfeil und Bogen. Und im Zeltlager bereitet eine junge Frau in für uns ungewohntem Gewand über dem offenen Feuer das Essen zu. Wo wir uns befinden? Nur wenige Meter hinter dem Bahia. Ende des 12. Jahrhunderts...


    Ostern in Bocholt. Auf der Wiese hinter dem Spaßbad, genauer gesagt auf dem Gelände der Bocholter Bogenschützen, tut sich Ungewöhnliches. Man hat das Gefühl, eine Filmkulisse zu betreten. Doch von Kameras und Regisseuren fehlt jede Spur. Hier ist alles echt und doch nicht echt.


    Es ist das Osterlager von Furor Normannicus. Zum ersten Mal schlagen die Frauen und Männer dieser Interessengemeinschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zeit der Normannen im Hochmittelalter wiederaufleben zu lassen, ihre Zelte in Bocholt auf. Vier Tage lang währt ihre Zeitreise, dürfen die Männer, Frauen und auch Kinder der Faszination Mittelalter frönen. Sie wohnen in Zelten, die der historischen Epoche entsprechen und in oft mühevoller Eigenarbeit eigens rekonstruiert und gebaut wurden. Jedes Zelt stellt als Unikat eine Besonderheit dar, weist ungemein viel Platz auf und beinhaltet ein historisches Bett, der Boden ist mit Fellen ausgelegt, die Ausrüstung und Gebrauchsgegenstände liegen in hölzernen Truhen. Oft legen die “Normannen” ihre historischen Gewänder und Ausrüstungen auch vor ihre Zelte und freuen sich, wenn Besucher ihres Lagers staunend davor stehen und sich nur zu gerne erzählen lassen, wie in mühevoller Kleinarbeit das Kettenhemd zur Rüstung entstanden ist.


    Geschichte wird erlebbar


    Die Interessengemeinschaft Furor Normannicus macht Geschichte erlebbar. Für die Teilnehmer, auf vielen Veranstaltungen aber auch für die Öffentlichkeit. "Für viele Menschen bleibt es immer ein Traum, einmal selbst zu fühlen, wie sich Menschen aus anderen Epochen wohl gefühlt haben mögen”, erklärt Pressesprecher Oliver Borgwardt. “Gerade darum sind unsere Leute so fasziniert davon.” Und die sind jeden Alters und jeden Geschlechts. Furor Normannicus besteht aus angehenden Historikern, Akademikern, EDV-Spezialisten, Abiturienten oder auch Azubis – kurzum: aus Menschen wie Du und Ich. Ein schier unstillbarer Wissensdurst, ein Hauch Abenteuerlust und geschichtliches Interesse sind Voraussetzung bei Furor Normannicus. Wenn man etwas wiederholt, nachstellt oder nachspielt, so findet man im Englischen dafür die Bezeichnung Re-enactment. Der jeweilige Akteure dieser Interessengemeinschaft heißt Re-enactor. Und dieser stellt eine Person seiner Wahl dar.


    “Dazu muss man zuvor viele Informationen sammeln”, weiß Borgwardt, der sich für Furor Normannicus in Ares Hjaldar de Borg (geboren 1158, Ritter mit 21 Jahren) verwandelt, einen Nachfahren dänischer Siedler aus Nordjütland, die um die Jahrtausendwende in die Normandie kamen. “Man muss so viel wie möglich wissen über die Person, die man darstellen möchte, muss in Erfahrung bringen, welchen Status sie hatte, welche Kleidung sie demnach trug und wie sie ausgerüstet war.”

    Die Sache mit den Gepflogenheiten


    In meist mühevoller Kleinarbeit werde dann die Ausstattung rekonstruiert. “Ein großes Rollenverständnis ist Voraussetzung”, erläutert der 27-Jährige. “Denn nur mit fundiertem Wissen kann eine Darstellung überzeugend wirken. Auch in Sachen Gepflogenheiten muss man eine Menge wissen. Beispielsweise sollte ein mittelalterlicher Bettler keinen Adligen in dessen Gegenwart verwünschen, ohne Strafe zu erwarten. Auch macht ein griechischer Hoplit mit Zigarette und Bierflasche keine gute Figur.”


    Ein Blick über das Lager. Plötzlich ein lautet Plopp. Hoppla, kennt man dieses Geräusch nicht vom Öffnen einer Flasche Potts? Und richtig. Der dabei ertappte Akteur lacht: “Sorry, ich habe wahnsinnig Durst. Es gibt später aber Met, versteht sich. Und das trinken wir aus dem Horn.”


    So ernst die Akteure ihre Rollen auch nehmen – der Spaß und die Geselligkeit kommen bei Furor Normannicus auf keinen Fall zu kurz. Konzentration allerdings ist angesagt, wenn gekämpft wird. Bei Gefechten kommen insbesondere Schwerter zum Einsatz. Doch keine Sorge, diese sind zwar aus Stahl, aber stumpf und ihre Spitzen abgerundet. “Wuchtwaffen setzen wir nicht ein, ebenso wenig sind reine Stoßwaffen in Verwendung”, so Oliver Borgwardt. Auch im Pfeil und Bogen-Schießen sind die Akteure gewandt. Und es macht Spaß zuzuschauen, wenn sich ihre “Feinde” mit gezeigtem Schilde vor den Pfeilen Schutz suchen. Wie man mit Waffen umzugehen hat, wie man kämpft und welche Regeln gelten, das vermittelt die Interessentengemeinschaft Neulingen.


    Kühlen Kopf bewahren


    Wer als Schaukämpfer auf öffentlichen Veranstaltungen in Aktion treten möchte, der kann eine Art Führerschein machen – die so genannte A-Karte. Denn eines steht fest: Bei Furor Normanncius steht die Sicherheit in Vordergrund. “Wichtig ist uns, verantwortungsvoll miteinander umzugehen, im Schaukamp aufeinander aufpassen und auch in der hitzigsten Feldschlacht einen kühlen Kopf zu bewahren und andere nicht gefähren”, so der Pressesprecher. Gewalt und insbesondere Rechtsradikalismus lehne die Interessengruppe schlichtweg ab. Denn Spaß machen soll dieses geschichtsträchtige Hobby. Und Menschen begeistern und faszinieren. War es in Bocholt nur ein internes Oster- und Trainingslager, so sind die Akteure oft auf historischen Stadtfesten zu sehen, arbeiten mit Museen zusammen und lassen sich sogar im historischen Unterricht der Schulen blicken. Vom 8. bis 10. Juli ist Furor Normannicus schlägt sein Museumslager beispielsweise am Museum Voswinkelshof in Dinslaken auf. Und im Herbst gibt es möglicherweise wieder ein internes Lager bei den Bocholter Bogenschützen. Schön wäre, wenn sich die Akteure vor Ort auch mal öffentlich präsentieren könnten. Damit jeder, der möchte, mal diesen Hauch der Geschichte einatmen darf, den das Osterlager vermittelte...


    Von Gabi Frentzen

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