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    II.2.2. Bewaffnung und Kriegsführung

    Die bekannteste und später auch immer wieder mit den nordischen Seeräubern in Beziehung gesetzte Waffe war sicherlich die Axt, wenngleich die Zahl der Speere die Anzahl der eingesetzten Äxte vermutlich übertroffen hatte.
    Ursprünglich als "Waffe des armen Mannes" vom Hof mit aufs Schiff genommen, entwickelte sich das Werkzeug mit der Zeit zu einer der gefürchtetsten Waffen der Wikinger. Im Verlauf des 8. Jahrhunderts wurden die Äxte mit immer breiteren, nach unten verlängerten Blättern ausgestattet . Dieser sogenannte "Bart" erlaubte eine größere Wirkungsfläche und konnte hinter gegnerischen Schilden einhaken, um die Deckung des Gegners aufzureißen.


    Das Blatt der Mammenaxt ist nur 16,5 cm breit, aber aufwendig verziert. Sie wurde in Jütland gefunden und liegt heute im Nationalmuseum Dänemarks.

    Im 11. Jahrhundert fanden neben den Bartäxten ("skeggox" genannt) größere und breitere Äxte ("breidox") Verbreitung, die als zweihändig geführte Waffen beträchtlichen Schaden anrichten konnten. Von der sogenannten "Dänenaxt", die später als Waffe der sächsischen Huscarls und der byzantinischen Varägergarde bekannt wurde, berichten Chronisten, mit ihr könne man einen Reiter samt seines Pferdes in zwei Teile schlagen. In Grabfunden sind zahlreiche, oftmals reich verzierte Axtblätter erhalten geblieben (zum Beispiel die berühmte Mammen-Axt aus Jütland mit kunstvollen Silbereinlegearbeiten). Außerdem wurden schlichtere Exemplare, etwa in der Themse, gefunden.


    Grabstein bei Lindisfarne.

    Das Bild der Wikinger als wilde Männer mit Äxten begegnet uns schon ganz am Anfang der Wikingerzeit, genauer gesagt, auf dem Friedhof von Lindisfarne. Auf einem Grabstein nahe des 793 überfallenen Klosters findet sich das Bild von sieben Männern, von denen zwei ihre Äxte über dem Kopf schwingen. Die weitgehende Abschaffung der Axt für den Krieg im übrigen Europa verstärkte zu dieser Zeit diesen Eindruck von der Axt als wikingischem Markenzeichen noch.

    Als Beiwaffe und Werkzeug beliebt war der sogenannte Sax, eine in ganz Mittel- und Nordeuropa verbreitete kurze Hiebwaffe, die wie ein Messer aussah und wie ein solches auch als Werkzeug eingesetzt wurde. Es existierten aber auch größere Exemplare, die fast die Länge von Schwertern erreichten, aber in den Augen der Skandinavier nie deren Ansehen.


    Verzierte Schwerter im dänischen Nationalmuseum.

    Schwerter waren die begehrtesten und am höchsten geschätzten Waffen der Wikinger. Sie fanden erst im Laufe der Zeit im Norden größere Verbreitung, zumal die Kosten für ein solches recht hoch waren. Viele dieser Waffen gelangten als Beutegut oder fränkischer Import nach Skandinavien, wo oftmals fränkische Klingen mit reich verzierten Griffen und Knäufen nach nordischem Geschmack ausgestattet wurden. Besonders die Schweden scheinen sich im 10. Jahrhundert darauf verstanden zu haben, wertvolle Accessoires an fränkische Klingen zu montieren. So wurden etwa Griffe und Parierstangen mit Gold, Silber oder Kupfer verziert. Viele dieser auch aus ästhetischer Sicht wertvollen Schwerter sind, wie auch andere Waffen und Gegenstände, als Grabbeigaben erhalten geblieben und zeugen von einem hohen Niveau der skandinavischen Handwerker und Goldschmiede.

    Bogenschützen sind bei allen nordischen Völkern belegt, auch wenn sie unterschiedlich eingesetzt wurden. So scheint den Schützen etwa bei den Schweden vor allem zu See eine große Bedeutung beigemessen worden zu sein, während die Norweger eher an Land zum Bogen griffen. Durch das leicht verrottende Baumaterial sind nur wenige Bögen archäologisch nachzuweisen, aber zeitgenössische Manuskripte und tradierte Sagen sind voll von entsprechenden Darstellungen und Beschreibungen. Erhalten sind allerdings die Pfeilspitzen, deren Zahl Legion ist. Allein das Gokstadschiff hatte eine große Anzahl an Bord.

    Rüstungen aus Eisen waren bei den Wikingern schon früh bekannt. Kettenhemden nannten sie hringserkr (Ringhemden), aber diese wurden zunächst meist nur von reicheren Kriegern getragen. Die meisten Männer trugen nur ihre Alltagskleidung oder verließen sich auf den Schutz gepolsterter Wämser, die ähnlich wie die kurzen Kettenhemden nur den Torso abdeckten, nicht aber Arme und Beine. Diese Wämser konnten beispielsweise aus Rentierhaut gemacht sein, wie wir aus dem Bericht eines gewissen Thore Hund wissen. Dieser importierte im Jahre 1029 solche Lederrüstungen aus Lappland, weil "sie keine Waffe eher schneiden oder durchstoßen konnte, als ein Kettenhemd". In der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts hingegen waren Kettenhemden bei den normannischen Truppen bereits weit verbreitet, worauf auch der bekannte Teppich von Bayeux (ca. 1077) hinweist.


    Rundschild aus dem Osebergschiff.

    Bis zu diesem Zeitpunkt blieb den meisten Teilnehmern an den Wikingerüberfällen wegen der hohen Kosten für eine Rüstung als Schutz vor gegnerischer Waffeneinwirkung nur der bekannte runde Schild, der aus Holz gefertigt und mit einer Bespannung aus Tierhaut, seltener mit Metallspangen, verstärkt wurde. Erhaltene Rundschilde zeigen eine Fertigung aus einzelnen Brettern, die vermutlich mit der Axt in Form geschlagen wurden (Sägen gelten im skandinavischen Raum nach Meinung einiger Historiker als zu jener Zeit unbekannt oder zumindestens unüblich).

    Das war also das Handwerkszeug der Wikinger: Schnelle Schiffe, leichte Ausrüstung und die schon erwähnte Taktik des schnellen amphibischen Angriffs.

    Das bedeutet im Umkehrschluß aber nicht, daß sich die militärischen Erfolge der Wikinger auf ihre maritimen Aktionen beschränken würden. Vielmehr zeigten sich die Seeräuber auch recht geschickt darin, ungewöhnliche Methoden zu ihrem Vorteil zu nutzen und flexibel auf Maßnahmen des Gegners zu reagieren.

    So hatten die Skandinavier keine Scheu davor, sich von ihren Schiffen zu lösen und zu Fuß oder als Reiter in Aktion zu treten. Anders als ihre fränkischen Gegner bewegten sie sich regelmäßig durch Wälder , wenn es ihren Zwecken dienlich war. Die Wahl des Angriffszeitpunktes konnte ebenfalls eine entscheidende Variable für einen gelungenen Überfall sein. Neben gelegentlichen nächtlichen Überfällen erschreckten vor allem Angriffe an hohen kirchlichen Feiertagen, weil die aus der Feststimmung gerissenen Versammlungen zum einen von der Überraschung benachteiligt und gleichzeitig eine größere Anzahl potentieller Geiseln darstellten. Diese Strategie wurde aber von christlicher Seite recht schnell erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen.


    Fränkischer Panzerreiter (Stuttgarter Psalter, 1. Hälfte des 9. Jhdts.).

    Auch Fallen gehörten zum Repertoire: 885 errangen Wikinger vor Paris mit getarnten Gruben einige Erfolge gegen fränkische Reiter. Es schien den Nordmännern wenig auszumachen, sich mit der Arbeit an der Schaufel die Hände schmutzig zu machen. Diese Einstellung, die sich doch sehr vom Elitebewußtsein fränkischer Edelleute unterschied, trug nicht zuletzt dazu bei, daß die Wikinger ein erfolgreiches Festungswesen auf ihren Beutezügen entwickelten. Gut ausgebaute Lager waren ein Garant dafür, sich auch in der kalten Jahreszeit im Feindesland behaupten zu können und nach den Raubzügen ins Umland gesicherte Rückzugsmöglichkeiten für Männer und Beute zu haben. Um diese Lager schnell errichten zu können, war ein motiviertes und gut eingespieltes Team vonnöten. Offenbar war es nicht ungewöhnlich, daß sich jedes Mannschaftsmitglied an den Schanzarbeiten beteiligte.

    Besonders bedeutsam waren bei der Wahl der Winterlager natürliche Schutzräume, vor allem Inseln. Die flachen Wikingerschiffe konnten mit ihrem niedrigen Tiefgang auch auf Flußinseln anlanden, ein Raum, der anderen europäischen Schiffen vergleichbarer Größe nicht ohne weiteres zugänglich war. Verteidigen konnten sich die professionellen Seefahrer mit Hilfe ihrer Schiffe, und in den Auseinandersetzungen zu Wasser schlugen sie die Franken regelmäßig.




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