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    Bildung und Künste, höfisches Benehmen

    Ab dem 10. Jahrhundert übertrugen mittelalterliche Autoren Ciceros Vokabular zur Bezeichnung guten Benehmens (urbanitas, decorum usw.) auf das höfische Milieu. Zunächst waren es die höfischen Bischöfe, die wegen ihres gepflegten Benehmens (gratia morum) gepriesen wurden, und später dann die Ritter. Der Begriff cortese und seine Entsprechungen in anderen Sprachen (cortes im Provenzalischen, courtoys im Französischen, courteous im Englischen, hövesch im Deutschen etc.) wurde gebildet, um diese guten Manieren zu beschreiben.


    Musiker in einem französischen Psalter, um 1175.

    Die höfische Kultur des Hochmittelalters hat sich in Frankreich entwickelt. Sie hat sich von hier aus über ganz Europa ausgebreitet. Ihr Wesen ist in Ritterepen festgehalten, die sich aus dem Artussagenkreis entwickelt haben. Beispiele hierfür sind Erec, 1190, und Iwain, 1200, beide von Hartmann von der Aue. In ihnen kann die Wandlung von einer geistlichen zu einer weltlichen Lebensauffassung (Ideal = hohe muot) festgestellt werden.
    Dieser Wandlungsprozeß läßt sich zumindest bis zum Hofe Eleonores von Aquitanien zurückverfolgen, der als Königin zweier Länder, Frankreich und England, eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung der Werte und der Dichtung der Troubadoure zukam.

    Mit der Entwicklung dieser Welt der Minnesänger rückte die hohe Frau (nicht zu verwechseln mit unserem heutigen Frauenbegriff, die mittelalterliche "Frau" ist die Frau von Stand, eine Frau am Hofe, alle anderen sind Wiber (=Weiber) in den Mittelpunkt. Bei der Domestizierung und Zivilisierung der Ritter oder zumindest bei ihrer Umwandlung zu Höflingen spielten somit die Frauen die wesentliche Rolle. Allmählich verbreitete sich die Auffassung, daß kein Hof, "...so bedeutend er auch sei, ohne Damen Zierde oder Glanz und Freude haben kann, so auch kein Hofmann artig, gefällig oder kühn sein und ein anmutiges ritterliches Werk verrichten kann, wenn er nicht durch den Umgang, die Liebe und das Wohlgefallen der Damen dazu bewogen wird."
    (Castiglione: Das Buch vom Hofmann)

    Da die höfische Kultur der Troubadoure sich in Südfrankreich entwickelt hat, sollte ein Ritter französisch sprechen. Es kam aber auch vor, daß französische Ritter nach Deutschland kamen, um deutsch zu lernen. Daher ist die allgemeine Meinung, daß ein Ritter mehrere Sprachen sprechen sollte. Ein Beispiel ist Tristan: Der Held des zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandenen Versromans Gottfried von Straßburgs, wurde am Hofe König Markes von Cornwall begeistert aufgenommen, weil er sich durch seine "höfische Bildung" (höfsche lere), das heißt durch sein Wissen und Können auf dem Gebiet der Jagd, der Musik und der Sprachen auszeichnete. Zudem zeigt Tristan eine Art sprezzatura, (vergleiche hier Castiglione) d. h. eine gewisse Lässigkeit in der unaufdringlichen Art und Weise, in der er diese Fertigkeiten unter Beweis stellte. Das Lesen und Schreiben mußte er dagegen nicht unbedingt können. Das war, wenn überhaupt, den zukünftigen Lehnsherren und hohen Frauen vorbehalten. So kam es häufig vor, daß ein Ritter wohl französisch sprach, aber in seiner Muttersprache nicht schreiben konnte.


    Ritter beim Schachspiel.

    Als sehr höfisch wurde es angesehen, wenn ein Ritter dichten konnte (zum Teil war das der Broterwerb einiger bedeutender Minnesänger des Mittelalters z.B. Walter von der Vogelweide), auch das Singen und das Spielen von Musikinstrumenten gehörten zu der höfischen Bildung die ein Ritter haben sollte. So hat Richard Löwenherz von seiner Mutter und deren Hofstaat das dichten und singen erlernt. Die Kunstfertigkeit die dieser hierbei erwarb kann in zwei seiner überlieferten Gedichte oder Lieder noch bewundert werden.

    Desweiteren sollte ein Ritter Brettspiele kennen (Schach u.ä.). Würfelspiele sind dagegen unhöfisch und spielen nur im Früh- und Spätmittelalter eine Rolle, wo die Frauen nicht im Mittelpunkt der Fürstenhöfe stehen (siehe unten).
    Natürlich sollte ein Ritter auch tanzen können. Der höfische Tanz dieser Epoche unterscheidet sich nicht besonders von den Tänzen der Renaissance. Höfische Tänze sind im Mittelalter und der Renaissance getreten und menuettartig. Bauerntänze dagegen sind gesprungene Tänze.
    Neben den Tugenden und Fähigkeiten gehörten das Einhalten der Verhaltens- und Anstandsregeln, körperliche Schönheit, Stärke und modisches Auftreten zu den idealen Eigenschaften eines höfischen Menschen. Hierunter fallen auch Tischsitten wie das Tranchieren von Fleisch, und die allgemeinen Tischregeln (siehe unten).

    Drei Faktoren bestimmen das höfische Verhalten einer Person:


    Liebespaar in der Millstätter Handschrift (deutsch, 2. Hälfte 12. Jhdt.).

    Zum einen die Ere (Ehre), was gleichzusetzen ist mit dem Ansehen in der Gesellschaft allgemein. Der Begriff der Ehre ist hierbei recht genau durch die damalige Gesellschaft definiert. Ursprünglich waren Verletzungen der Ehre durch andere immer mit einem körperlichen Angriff verbunden (verg. Erec, 1190, von Hartmann von der Aue).
    Im Laufe der Zeit (ab ca. 1500) wurde der Ehrbegriff stark aufgeweicht und auch wörtliche Angriffe wurden als Angriff auf die Ehre gedeutet.
    Von der Ere zu scheiden ist die Maze, die zuchtvolle Lebensform. Sie beschreibt alle sichtbaren oder öffentlichen Dinge und Handlungen, die einen Edlen ausmachen.
    Maze, die "Mutter aller Tugenden", war somit auch die Mäßigung und Kontrolle des eigenen Temperaments. Sie stand besonders den Frauen gut zu Gesicht.
    Und drittens die Minne, von der die Hohe Minne eine Besonderheit im Hochmittelalter darstellt. Die Minne ist die dienende Liebe eines Ritters zu einer hohen Frau der Gesellschaft.

    Tischsitten

    Die Anordnung der Tische war anders als wir es gewohnt sind:
    Längs den Wänden liefen Bänke und Sitze verschiedener Art her. Vor diesen wurden für die Mahlzeit Tische aufgeschlagen, so daß der Raum nach der Mitte zu frei blieb. Hatte man (bei großen Festessen) im Saale nicht Platz, so tafelte man im Freien. In der Mitte der U-förmigen Tafel wurden die Gerichte "zur Schau getragen" im wörtlichen Sinn. Dort traten auch Sänger und andere Künstler während des Mahles auf. Für gewöhnlich lagen hier auch einige Hunde, denen man die abgenagten Knochen zuwarf.

    Tafeldarstellung im Psalmenkommentar des Petrus Lombardus, Bayern, letztes Viertel 12. Jhdt (Msc.Bibl.59, fol.2v).

    Die Tische bedeckte man mit (meist weißen) Tischtüchern. Bei Reichen waren die Tischtücher zum Teil bestickt und mit Gold- oder Silberborten besetzt-
    Diese Tischtücher waren zumindest vor dem Hausherrn und den Ehrengästen ausgebreitet. Das Zerschneiden des Tischtuches kam im übrigen einer Fehdeansage gleich.
    Servietten dagegen kannte man für den einzelnen Gast nicht, es wurde aber ein mannigfach gefaltetes Tuch oft um den Tisch herumgelegt, das dann demselben Zweck dienen sollte.Der Boden des Saales war meist mit Blumen und wohlriechenden Kräutern bestreut. In früherer Zeit speisten die Geschlechter getrennt; seit dem Aufkommen der galanten Neigungen im Hochmittelalter aber waren die Teilnehmer am Mahle gemischt.

    Das Mahl begann damit, im Vorraum oder im Hauptraum den Gästen noch stehend wohlriechendes angewärmtes Wasser über die Hände zu gießen. Die dabei verwendeten Krüge (Aquamanile) werden heute noch häufig als Kunstwerke, oft auch als gekünstelte Werke gezeigt. Dazu reichten Pagen den Edelfrauen oder junge Mädchen (die am Hofe lernten) den Rittern ein Handtuch. Dann erst wurden die Gäste feierlich zu Tisch geleitet. Der Truchsess beaufsichtigte mit seinem Stabe das Gastmahl und wies allen ihre Plätze an.


    Ein Aquamanile aus Lothringen, zweite Hälfte 12. Jhdt.

    Im Frühmittelalter speisten Fürsten allein oder mit ihren Gemahlinnen an einem besonderen Tisch. Im Hochmittelalter saß der Gastgeber dagegen am Schenkel der U-förmigen Tafel. Der Platz neben ihm war der Ehrenplatz. Auf die Tische kamen zu allgemeinem Gebrauch große Schüsseln und Salzfässer. Silbergeschirr schmückte die Tafeln der Reichen; besonders beliebt waren Tafelaufsätze in Gestalt von Jagdtieren.
    Für jeden Teilnehmer gab es kleinere Schüsseln (Teller gab es keine). Bei festen Speisen dienten oft Brotschnitten als solche. Löffel kannte man, aber man gebrauchte sie nicht oft. Gegen die Gabeln verhielt man sich noch lange ablehnend und bediente sich der Finger. Eine Gabel soll erstmals eine griechische Prinzessin verwendet haben, aber darum angegriffen worden sein, da es sündhaft sei, die gute Gabe Gottes nicht mit den Fingern berühren zu wollen. Erst König Eduard I. von England soll 1297 eine Gabel benutzt haben, aber um Erdbeeren zu essen. Ein Messer dagegen hatte jeder Mann bei sich.
    Nun wurde das Gedeck mit dem Brot gebracht, das Benedicte gesprochen und mit einer großen Feierlichkeit der erste Gang serviert. Die Bedienung besorgten dann Edelknaben bei den Frauen, junge Mädchen bei den Rittern.

    Bei der Tischordnung gehörte es sich zur Zeit der Blüte des Minnedienstes, daß der Ritter und die von ihm verehrte hohe Frau nebeneinander saßen. Sie erhielten gemeinsam nur einen Becher und eine Schüssel.
    Fleisch aß man auf und mit einer Scheibe, oft gerösteten, Brotes. Brot, das als Teller oder Schieber gedient hatte, wurde nicht gegessen, sondern den Armen gegeben. Den Wein schenkte man aus Kannen und Krügen in die Becher der Gäste, die aus Keramik, Glas, kostbarem Holz und den verschiedensten Metallen bestanden, auch oft mit Edelsteinen und erhabener Bildarbeit verziert waren. In Seegegenden hatten sie gern die Gestalt von Schiffen.

    Nach dem Essen erhielten die Gäste aufs neue Becken zum Händewaschen und kostbare Handtücher. Erst nachdem die Tische abgedeckt und vollständig fortgeräumt waren, sprachen die Anwesenden stehend das Dankgebet.

    Verhalten bei Tische

    Neben dem Ablauf des Festessens wurden auch die Verhaltensweisen der Einzelpersonen von verschiedenen Autoren beschrieben.
    Von Tannhäuser sollen folgende Verhaltensregeln bei Tische stammen:


  • Kein Edelmann sollte mit einem anderen gemeinsam einen Löffel benutzen.

  • Man rülpst nicht und schneuzt sich nicht ins Tischtuch.

  • Man wischt sich den Mund ab, bevor man trinkt,
        damit nicht das Fett in den Becher rinnt.

  • Den abgenagten Knochen legt man nicht zurück in die Schüssel.



  • Als weitere Verhaltensregeln sind bekannt:


  • Man faßt die Schüssel mit beiden Händen und setzt sie so an.
        Dabei hielt der Herr der Dame eine Schale unter.

  • Man ißt nur mit den drei ersten Fingern der Hand, wobei Ringfinger und kleinen Finger abzuspreizen sind.

  • Die Knochen wirft man hinter sich oder unter den Tisch oder in die Mitte des U`s (für die Hunde).

  • Man wischt sich nicht die Hände an Stiefeln oder Kleidern ab.




  • Trunkenheit wurde bis etwa zum 14. Jahrhundert im ritterlichen Kreis verachtet. Nach dieser Epoche spielten die Frauen keine Rolle mehr am Hofe. Abhilfe von diesem Umstand brachte erst die Renaissance.

     

    Autor: Martin Bruns


    Literatur und Quellen


    BOUMAN, Pieter Jan: Kultur und Gesellschaft der Neuzeit. Freiburg 1962.
    BRUNNER, Karl / DAIM, Falko: Ritter Knappen Edelfrauen. Das Rittertum im Mittelalter, Fechnen o.J.
    BURCKHARDT, Jacob: Die Kultur der Renaissance in Italien. Laupenheim (2) 1950.
    CASTIGLIONE: Das Buch vom Hofmann. Übersetzt von Fritz Baumgart, Bremen 1960.
    GARIN, Eugenio: Der Mensch der Renaissance. Frankfurt am Main, 1990.
    GRAVETT, Christopher: Norman Knight 950-1204 AD. Weapons, Armour, Tactics, London 1993.
    HARENBERG, Bodo (Hrsg.): Chronik der Menschheit, Dortmund 1984.
    HENNE AM RHYN, Otto: Geschichte des Rittertums, Essen o.J.
    MILGER, Peter: Die Kreuzzüge. Krieg im Namen Gottes, München (3) 1989.
    SEIBOLD, Carsten: Auf den Spuren der Minnesänger. Deutschland Österreich Südtirol, München 1988.
    WAAS, Adolf: Der Mensch im deutschen Mittelalter, Wiesbaden 1996.




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