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    (Ge)Wanderungen

    Die mittelalterliche Gesellschaft war noch nicht so mobil, wie wir es heute kennen. Reisen gehörte damals noch zu den eher risikobehafteten und unangenehmen Unternehmungen, zu denen einige Bevölkerungsgruppen nur in Ausnahmesituationen berechtigt waren. Bauern lernten das weitere Umland oft nur während einer Pilgerreise oder bei der Teilnahme an einem Kriegszug kennen. Aber auch für Kaufleute oder Adelige, die für ihre Geschäfte die heimatliche Umgebung verlassen mußten, war eine Reise nie eine alltägliche Routineangelegenheit. Die Verkehrswege waren vor allem außerhalb des ehemaligen römischen Kernreiches schlecht, es gab vergleichsweise wenige Straßen und Wege. Viele erinnerten eher an heutige unausgebaute Feld- oder Waldwege, und schwach frequentierte Strecken drohten innerhalb weniger Monate zuzuwachsen.


    Auf zugewachsenen Pfaden.

    Die schnellste Art zu reisen, war das Schiff, aber Wasserwege erfassten nur einen Teil des europäischen Binnenlandes. Wer sich kein Pferd leisten konnte, war auf die beschwerliche Reise zu Fuß angewiesen. Nicht umsonst galt die Rückkehr von einer Pilgerreise als keinesfalls gesichert. Die Wälder waren im 12. Jahrhundert außerhalb der größeren Siedlungen oft noch weitgehend unerschlossen, Raubtiere und Gesetzlose stellten eine ständige Gefahr dar. Aber auch auf den breiteren Wegen lauerten Gefahren, wie Unfälle, wilde Hunde oder Unwetter. Die medizinische Versorgung im Falle eines gebrochenen Fußes oder einer Vergiftung durch verdorbene Lebensmittel oder giftige Pflanzen konnte als bestenfalls ungenügend bezeichnet werden, oder war außerhalb von Klöstern oder Pilgerherbergen schlicht nicht vorhanden. Trotz all dieser Gefahren waren einige Personengruppen auf Reisen angewiesen, etwa Adlige (Hoftage, Fehden, politische Besuche, Verwaltung der eigenen Ländereien, militärische Unternehmungen), Kleriker, Händler, Boten, Hirten, Siedler, Prediger oder Pilger.

    Mit welchen Strapazen mußte ein Mensch bei einer solchen Reise rechnen? Wie bewährte sich die damalige Ausrüstung auf den Wegstrecken des Mittelalters? Um hier einen kleinen Einblick zu gewinnen, begibt sich Furor Normannicus seit 2008 auf zeitlich und räumlich begrenzte Exkursionen in die Natur. Nur mit Hilfe der damals üblichen Mittel werden kleine Reisen unternommen, die von der Länge mit heutigen Wanderstrecken vergleichbar sind. 15-20 Kilometer sind mit modernem Schuhwerk auf ausgebauten Straßen kein Problem, aber mit Wendeschuhen auf Trampelpfaden stellt sich das schon anders da. Für unsere Exkursionen hat sich der etwas humorvoll gemeinte Name "Gewanderung" eingebürgert (von "Gewand" und "Wanderung"), aber trotz der sportlichen Unterhaltung steht auch der Erkenntnisgewinn im Mittelpunkt. Wie gut sind Kleidung und Ausrüstung rekonstruiert? Erweisen sie sich als praxistauglich oder gibt es Probleme? Wie ist die Wetterfestigkeit der Kleidung? Scheuert ein Tragegurt, sitzen die Schuhe nicht richtig? Aus den praktischen Erfahrungen werden Lehren gezogen, die für die Verbesserung der Rekonstruktionen dienlich sind. Wir gehen davon aus, daß die Ausrüstung auf solchen Reisen von den Menschen ebenfalls für ihre Praxistauglichkeit konstruiert worden war.


    Die Schar auf einem etwas breiteren Weg, was eher die Ausnahme ist.

    Natürlich sollen die Exkursionen auch Freude bereiten. Die gemeinsame sportliche Leistung und das mittelalterliche Ambiente motivieren die Teilnehmer, die übrigens von verschiedenen Gruppen zu unseren Gewanderungen stoßen. Die Routen werden zum einen nach ihren möglichst unausgebauten Wegen, aber auch nach historisch interessanten Orten oder Landschaften an der Strecke ausgewählt. So folgten wir den Wirtschaftswegen eines untergegangenen Klosters aus dem 13. Jahrhundert, suchten Hünengräber oder Steinbrüche auf und besuchten Stellen, um die sich mittelalterliche Sagen ranken.

    Eine kleine Besonderheit unserer Gewanderungen ist es, daß auch Reiter mit der entsprechenden Ausrüstung daran teilnehmen können. Die unterschiedlichen Marschgeschwindigkeiten von Berittenen und Fußgängern führte bereits zu interessanten Fragestellungen zum Beispiel in Bezug auf mittelalterliche Heere oder Pilgergruppen.

    Jede Gewanderung ist eine neue Herausforderung, ein historisch interessantes Experiment und ein kleines Abenteuer für die Mitwirkenden.


    Wetterfeste Kleidung ist bei längeren Reisen unverzichtbar.

    Einige Impressionen von unseren Exkursionen finden Sie auf der nächsten Seite.

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